Talent
In letzter Zeit fragten KundInnen beim Tätowieren mich öfter, wie ich in diesem Beruf gelandet bin. Nachdem ich meine Story kurz umrissen hatte, kam mehrmals der Satz „Ich könnte das nicht, ich habe kein Talent.“. Und irgendwie hat mich das stutzig und ein klein wenig wütend gemacht. Ich hatte das Gefühl, sie wollten damit eigentlich meine Arbeit loben, aber mir kam es so vor, als würde das meinen Arbeitsprozess relativieren. Menschen hätten Talent oder eben nicht und damit wäre alles entschieden (auch wenn ich nicht glaube, dass die Personen das so gemeint hatten). Ich halte sehr wenig von „angeborenem Talent“. Ich halte viel von Interessen und Neugier, von Ermutigung und Zeitinvestition, ohne jetzt kitschig klingen zu wollen.
Ich muss ehrlich sagen, bis vor knapp drei Jahren hätte ich nie gedacht, mal mit meinen künstlerischen Fähigkeiten Geld zu verdienen. Klar, habe ich mir auch mal vorgestellt, dass meine Werke verkauft werden würden oder ich ein wunderbares Kinderbuch illustriere, aber ich dachte nicht bedeutsam darüber nach. Es war eine Wunschidee. Das was mich am wenigstens daran glauben lassen hat, waren meine Fähigkeiten.
Ich mochte meine Skizzen, Bilder und Krimskrams nicht. Sie waren nicht gut genug. Ich hatte immer „nebenbei“ gemalt und nie ernsthaft an meinen Fähigkeiten gearbeitet. Was mir allerdings gefiel, waren meine Ideen. Sie waren bunt, fröhlich und lebendig. Dagegen erschienen mir meine Skizzenbücher voller starrer Kreaturen. Mittlerweile weiß ich, dass dieser Prozess beim „Besserwerden“ ganz normal ist. Die eigenen kreativen Werke und Ergebnisse erscheinen immer schlechter, bis man seine Fähigkeiten mit denen von vor einem Jahr vergleicht.
Ich gab der Kreativität erst aufgrund des Studiums und dann aufgrund der Arbeit weniger Raum. Ich zeichnete seltener und jedes Mal war ich über das Ergebnis enttäuscht. Ich verglich mich mit anderen Personen, die „mehr Talent“ hatten und die Wunschidee schien vollkommen abgeschlossen zu sein. Glücklicherweise habe ich mich ab einem bestimmten Moment ehrlich gefragt, ob es das gewesen sein soll. Als Kind liebte ich es zu malen, als Jugendliche auch. Warum sollte das nicht im Erwachsenenalter klappen? Etwas auf Papier zu schaffen, machte mich glücklich. Und dahingehend neue Sachen auszuprobieren, hat mir immer Spaß gemacht. Der „Knoten der Angst und Sorgen“ löste sich mit der Zeit. Ich nahm das Schaffen wieder auf in einer Form, die für mich komplett neu war.
Ich nahm das Ergebnis nicht mehr Ernst. Ich nahm die Fehler nicht mehr Ernst.
Die Bilder entstanden einfach. Und wenn ich eine Idee hatte, nahm ich mir für sie mehr Zeit. Probierte Perspektiven, Farbschemata und Medien aus. Schuf dasselbe Motiv immer wieder. War es davor ein Krampf ein Skizzenbuch zu füllen, grüßte ich jetzt die letzte Seite nach wenigen Monaten. Es war leicht geworden, Dinge zu schaffen. Und schaue ich mir jetzt die alten Skizzen an, sehe ich die Sprünge. Ich sehe die Übung und kann die Arbeit dahinter anerkennen.
Es ist nicht so, dass ich heute immun wäre zu Meinungen an meiner Arbeit. Ich bin eine absolut selbstkritische Person. Mein zweiter Vorname könnte Zweifel sein. Ich produziere heute immer noch einen Haufen Kram, den keiner sieht, weil er in meinen Skizzenbüchern oder auf meinem iPad einfach dahinvegetiert. Es ist nämlich einfach Kram und nichts, dass ich gelungen oder besonders toll fände. Ich sehe es aber als Übung und Erfahrung. Na klar, bin ich auch frustriert, wenn ich 4h in ein Portrait investiert habe und dann merke, dass ich immer noch keine Haare vernünftig zeichnen kann. Da sieht dann das Gesicht vernünftig und der Rest albern aus - ABER ich habe geübt. Und ich kann auch etwas über mich selber lachen.
Ich bin froh, dass ich heute Kreativ/Professionell da bin, wo ich bin. Das hätte Friedi von vor drei Jahren nicht gedacht. Und ich habe das Gefühl, dass das wenig mit Talent zu tun hat. Ich habe Bock zu Tätowieren und zu Illustrieren und ich will immer besser werden. Na klar, schaue ich auch mit großen Augen auf die Arbeiten von anderen Artists oder sehe deren Followerzahlen, aber aktuell spornt mich das an. Ich freue mich auf mehr.